Die Hansestadt Wismar hat sich zum Ziel gesetzt, den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten. Unter Federführung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt soll eine Smart City Strategie entstehen, die einen veritablen Mehrwert für alle Stakeholder bietet. Nachdem Mitte Oktober eine erste Bürgerbefragung auf dem Marktplatz stattgefunden hat, möchten die Stadt zusammen mit der Wifög im Rahmen dieses Workshops erneut die Sicht der Bürgerinnen und Bürger in den Strategieprozess einfließen lassen. (Quelle: Wifög Wismar)
18:30 Uhr Eröffnung
- Ablauf, Organisatorische Regeln
- Helen Becker, Victoria Binz-Gruber, Wirtschaftsfördergesellschaft Wismar
WISMARTCITY
- Digitalisierung und Smart City
- Interview mit Prof. Matthias Wißotzki, InnovationPort, Hochschule Wismar
Kurzpräsentation
- Status Quo Wismar
- Prozess
- Handlungsfelder
- Leitbilder
- Helen Becker, Victoria Binz-Gruber, Wirtschaftsfördergesellschaft Wismar
Kreativpart
- 5-1-5 Systematik & d.h. Präsentation der jeweiligen Moderatoren (5 Min), 1 Minute Fragen/Anmerkungen, 5 Minuten Beantwortung
- Live-Abstimmung mit Mentimeter sehr wichtig / wichtig / nicht wichtig
- (Vorbereitung mit Mural: 5 Tage bis 1 Tag vor Workshop können TN an Online-Pinnwände Anmerkungen hinterlassen unter Berücksichtigung folgender Aspekte
- Welche Projekte wünschen Sie sich? Was ist Ihnen dabei wichtig?
- Handlungsfelder (Querschnittsthemen Umwelt / Gesellschaft immer mitgedacht)
- Mobilität / Infrastruktur (Frau Bier / Herr Jarfe)
- Verwaltung (Herr Dr. Grützmacher, Herr Sperling)
- Wirtschaft (Frau Binz-Gruber)
Zusammenfassung und Ausblick (nächste Schritte)
- Helen Becker, Victoria Binz-Gruber, Wirtschaftsfördergesellschaft
INTERVIEW: Digitalisierung und Smart City (Prof. Dr. Matthias Wißotzki)
1. Digitalisierung und Smart City werden häufig in einem Atemzug genannt. Wo liegt die gemeinsame Schnittmenge der beiden Begriffe und wo liegen die Unterschiede?
Ich würde diese Frage in drei Bestandteile zerlegen. Was ist Digitalisierung, Was ist eine Smart City und wo liegt die Schnittmenge!
Was ist Digitalisierung?
- Ich vermute jeder von uns hört oder liest dieses Wort täglich. Verständlich, denn viele der aktuellen Innovationen haben mit dem Thema Digitalisierung zu tun. Aber was verbirgt sich eigentlich dahinter, wie können die verschiedenen Innovationen oder "technologisch-bedingte" Veränderungen mit nur einem Wort beschreiben werden.
- Warum tun wir uns manchmal schwer damit diesen Term zu erklären?
- Grundsätzlich liegt es erstmal daran, wie wir den Begriff verwenden, denn mit seiner ursprünglichen Bedeutung, etwas analoges in etwas elektronisch bearbeitbares zu übertragen, hat die aktuelle Begriffsnutzung nur noch wenig zu tun.
- Vielmehr assoziieren wir mit dem Begriffs gleich eine ganze Reihe an Technologien und das auch noch recht individuell:
- Beispiel: Ist Digitalisierung Glasfaser im Boden vergraben oder das Internet generell? Ist Digitalisierung die Verarbeitung von Daten mit Hilfe von Apps oder lokal auf einem Computer installierter Software? Ist Digitalisierung die Verfügbarkeit neuer Services wie z.B. Uber / AirBnB, Facebook, TikTok oder sogar automes Fahren usw.
- Um ein strukturierbares Verständnis hinsichtlich des derzeit häufig sehr unterschiedlich genutzten Digitalisierungsbegriffs aufzubauen soll folgende Erklärung helfen, welche die Grundlage für den zweiten Teil der Frage hinsichtlich Smart City und Schnittmengen sein soll.
- Jede Form der Digitalisierung basiert auf Infrastruktur, welche vorhanden sein muss um entsprechende Services / Anwendungen darauf laufen lassen zu können, welche wiederum Daten verarbeiten. Somit haben wir schon mal drei Bausteine: Infrastruktur, Informationssysteme und Daten. Da diese häufig nicht allein existieren, sondern zunehmend in einem Ökosystem funktionieren müssen, werden diese Bausteine in ihren Kombinationen in so genannten Architekturen strukturiert (ähnliche wie bei einem Lego Produkt), welche einen bestimmten Zweck erfüllen z.B. einen Geschäftszweck. Daraus ergibt sich dann das Geschäftsmodell, welches über Gratifikationen mit seiner Umfeld interagiert.
- Somit ergeben sich die Bausteine der Digitalisierung: Infrastruktur, Informationssysteme, Daten, Architekturen und Geschäftsmodelle
- Diese digitalen Bausteine verbinde ich nun mit den strukturellen Bausteinen einer Stadt: z.B. mit den Verwaltungsprozessen, den Mitarbeitern, den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger einer Stadt
- Auf Basis dieser Kombination können nun viele Digitalisierungsthemen hinsichtlich: Vernetzung, Integration, Mobilität, Automatisierung, Skalierbarkeit identifiziert und bearbeitet werden.
Was verstehen wir unter einer Smart City Wismar?
- Hier verhält es sich ähnlich wie bei dem Term Digitalisierung.
- Smart City ist ein Sammelbegriff für gesamtheitliche Stadtentwicklungskonzepte, in denen systematisch Bausteine der Digitalisierung eingesetzt werden, um die Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten.
- Ausgehend von dieser eher theoretischen Definition würde ich gerne eine eher praktische Herangehensweise erläutern, um den Begriff handhabbarer zu machen:
- Immer mehr Menschen leben in Städten - mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits im urbanen Raum - in Europa sind es 73% und in Deutschland sind es 77% Tendenz steigend.
- Dieser Trend hat Auswirkungen auf viele Bereichen des städtischen Lebens und bringt einiges an Handlungsbedarf mit sich:
- Ressourcenverbrauch
- Lebensqualität & Wohnraum
- Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Wirtschaft
- Stadtverwaltung
- Dynamische Verkehrsinfrastrukturinformationen
- Partizipation der Bürger bei der Stadtentwicklung
- Diese Herangehensweise orientiert sich wesentlich stärker auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger einer Stadt und hat damit die Einwohner und die Lösung der jeweiligen Probleme im Fokus.
- Dies ist besonders wichtig bei der Lösung von den zuvor genannten Bedarfen, da viele heutige Lösungen überwiegend Technologie-fokussiert oder Anbieter-getrieben sind.
Wo kann Digitalisierung unterstützen bzw. wo ist die Schnittmenge?
Die Schnittmenge bezieht sich auf die passende Kombination der zuvor genannten Bausteinen der Digitalisierung zur Lösung eines Problems:
- Verkehrs- & Parkleitsystem
- ÖPNV Integration in das Plattformen-Ökosystem der Endverbraucher
- Energieversorgung & Energieverbrauch --> Smart Metering
- Flächennutzungsplanung / Geodaten --> Wohnraumverdichtung
- Umweltinformationen
- Digital unterstützte Formate für Veranstaltungen, Kultur und Sehenswürdigkeiten
- Regionale aber digitale Shoppingangebote
2. Wo steht Wismar aktuell auf dem Weg hin zur Smart City?
- Wenn ich diese Frage auf einem Start/ Ziel Model übertragen müsste, dann würde ich sagen am Start. Aber sie können sich sicherlich vorstellen, dass diese pauschale Antwort etwas zu einfach ist und allen bereits laufenden Projekten ungerecht gegenüber wäre. Ich denke hier gilt eher der Weg ist das Ziel, denn Veränderungen bleiben ein integraler Teil unserer Gesellschaft, welche sich jedoch in ihrem Ausmaß und in ihrer Häufigkeit für einen vergleichenden Betrachtungszeitraum zugenommen haben.
- Wie schon angedeutet und wie wir sehen werden, gibt es bereits einige Projekte in Wismar, aber diese sind nicht immer gleich in der Öffentlichkeit wahrnehmbar
- Jetzt könnte man annehmen, dass dies kein guter Zustand ist, aber dies ist ganz normal, denn das Interesse an und die Akzeptanz von Veränderungen in der Gesellschaft benötigt häufig Zeit - außer diese kommen über einen Schock wie z.B. bei einer Krise (Pandemie und HomeOffice) - aber dies ist ein anderer Diskurs
- Darum lässt sich die Fragestellung etwas besser mit einem Lebenszyklus bzw. Reifegradmodell beantworten.
- Hier sind wir zwar noch in einer frühen Stufe was die Erfahrung und umgesetzte Projekte angeht, aber auf einer höheren Stufe hinsichtlich der gewählten Vorgehensweise.
- Es werden bereits Erfahrungen und Prozesse aus anderen Smart City Projekten analysiert und für Wismar adaptiert
3. Wie wird aus einer schön formulierten Smart-City-Strategie eine gelungene Umsetzung?
- Indem Geschriebenes umgesetzt wird- dazu würde ich jedoch zwischen der Größe und dem Innovationsgrad der Maßnahmen und die für die Umsetzung notwendigen Technologien hinsichtlich Risiko und Umsetzungsgeschwindigkeit differenzieren.
- Bei innovativen Maßnahmen muss klar sein, dass diese Freiraum für Experimente benötigen, um Szenarien und Ausprägungen zu testen, da sich bestimmte Sachverhalte erst während der Umsetzungsphase ergeben oder sich sogar Bedarfe während der Umsetzung dynamisch ändern - dies ist charakteristisch für neuartige Digitalisierungsprojekte. Somit sollten diese Projekte in kurzen Zyklen durchgeführt werden
- Bei standardisierten Maßnahmen, wo bereits auf bestehendes Wissen zurückgegriffen werden kann, kann aufgrund des geringeren Risikos der Planungshorizont der Umsetzungsprojekte vergrößert werden
- Ein Kombination aus beiden Maßnahmentypen und die damit verbundenen Erfahrungen erhöht den Reifegrad für eine innovative Stadtentwicklung mit Hilfe von Technologien
4. Welche Chancen sehen Sie für unsere Hansestadt?
- Durch digitale Formate, welche die Bürgerinnen und Bürger mit einbinden, besteht die Möglichkeit aktuelle Problemstellungen zu Platzieren und somit einen Beitrag für die zukünftige Entwicklung seiner Stadt zu leisten.
- Dies sehe ich als Beginn einer ganz neuen, aber auch zeitgemäßen Art der Bürgerbeteiligung
- Digitalisierung ist kein Selbstzweck - nein, es geht darum Bedürfnisse/ Problemstellungen der Einwohner zu erheben und ggf. mit technologischer Unterstützung zu lösen, denn Smart heißt auch, dass nicht alles zwingend digital sein muss
- Der bedarfsgerechte Einsatz von Technologie sollte das Ziel sein und das geht nur
- Die Chancen können alle gesellschaftlichen Bereiche einer Stadt treffen:
- z.B. Mobilität, Wirtschaft, Verwaltung, Infrastruktur, Umwelt oder die Lebensqualität einer Stadt
5. Welche Sollbruchstellen aus anderen von Ihnen begleiteten Smart-City-Projekten möchten Sie Wismar ersparen?
- Meines Erachtens nach gibt es gerade zu Anfang ein paar wesentliche Sollbruchstellen.
- Die Bedarfserfassung: Wie bereits erwähnt, sollte die Bedarfserfassung an oberste Stelle stehen und dies unter aktiver Berücksichtigung der Bürgerinnen und Bürger. Betroffene zu Beteiligten machen.
- Der Technologiewahn: Nicht alles muss übermotiviert und konsequent durch Technologie gelöst werden, es ist zwingend darauf zu achten, dass a.) berücksichtigt wird. Nur weil wir das Thema Digitalisierung nach und nach besser verstehen, impliziert dies nicht automatisch, dass es an jeder Stelle das richtige Werkzeug ist.
- Klein & schnell Erfolge vorweisen: Es gibt immer Befürworter und Gegner, die einen müssen nicht mehr überzeugt werden und die anderen können nicht überzeugt werden. Die Mitte dieser Normalverteilung ist skeptisch bzw. unsicher im Umgang mit Technologien - diese Unsicherheit kann durch erfolgreiche vertrauensbildende Maßnahmen nach und nach genommen werden.
- Das richtige KnowHow einsetzen: Es sollten dringend Spezialisten eingesetzt werden - umso größer die Maßnahmen, umso notwendiger ist es, dass die Komplexität durch passende Methoden handhabbar gemacht werden. Und ja, diese Qualität kostet Geld wird sich aber auf die Qualität der Erfolge auswirken.